Sonntag, 23. September 2012

Dickes Baby

Kürzlich trug sich etwas zu, dass ich zuerst für nicht erwähnenswert befand, doch meine Tante Sophie hat mir die Augen geöffnet. Aber gehen wir chronologisch vor.

Wir waren mit Emma zur U5. Alle Befunde waren super, nur als wir zu der Frage kamen: "Dreht sie sich schon?", antwortete ich wahrheitsgemäß: "Auf die Seite, ja, vom Rücken auf den Bauch oder umgekehrt: Nein." Die Ärztin drehte an Emma herum, Emma drehte sich vom Rücken auf die Seite und strampelte. "Ja, sie hat den Bewegungsablauf schon drin, aber ihre Arme sind so speckig, dass sie da nicht drüber kommt." diagnostizierte die Ärztin. "Also alles okay?" fragte ich. "Ja, klar, das trainiert sie sich in den nächsten Wochen ab, wenn sie mobil wird."

Ich war erleichtert. Kein Spätentwickler, sondern ein Wonneproppen. Ich erzählte es überall in der Familie und bei Freunden herum und insbesondere meine Tante Tilli und ihre Tochter Miriam fanden diese Anekdote lustig. "Sein ganzes Leben lang soll man schlank sein, nur bei einem Baby freuen sich alle, wenn es speckig ist und Emma nutzt das voll aus. Das ist doch sympathisch."

Dann in der Krabbelgruppe erzählte ich nun wiederum von diesem eben schon zur Anekdote gewordenen Vorfall bei der Kinderärztin, beendete mein Reden und guckte erwartungsvoll in die Runde. Aber niemand lachte, alle guckten ganz betreten. Ziemlich geschlossen befand die ganze Gruppe, dass die Ärztin sich unmöglich benommen hätte, zu sagen Emmas Arme wären so speckig, dass sie sich nicht drehen kann. Als ich sagte, ich hätte es ganz lustig gefunden, da sagten sie sowas in die Richtung, dass man das Leben mit Humor nehmen müsse, sonst käme man ja um. Es folgte ein Vortrag von unserer Leiterin Gabi darüber, dass die Fettpolster von Stillbabys total unbedenklich seien und dass man nur bei Flaschenbabys darauf achten müsse, dass sie nicht zu dick werden, da das Fett aus Kuhmilch irgendwie vom Babykörper anders abgebaut wird, als das Fett aus Muttermilch.

Im Chat mit meiner Familie erzählte ich dann von der ganzen Begebenheit, der Aussage der Ärztin und der für mich verwunderlichen Reaktion der Krabbelgruppe. Und meine Mutter legte gleich los: Dass Emma nicht zu dick sei, dass sei kein Speck, ich solle bloß keine Diät machen oder das Kind abnehmen lassen. Alles in allem verwickelte ich mich dann mit meiner Mutter wiederum in ein ziemlich von Missverständnissen durchzogenes Streitgespräch und war am Ende noch verwirrter.

Dann telefonierte ich mit meiner Tante Sophie und sie sagte: "Ja, da bist du in der Krabbelgruppe in ein Humorloch gefallen." Ich so: "Ja, genau so ist es!", "Das ist so schlimm für Frauen immer mit diesem Zwang zum Schlanksein, das ist echt ein Thema, da darf man keine Witze drüber machen und einer Frau dann zu sagen, dass sie ein dickes Baby hat, dann ist es für viele bestimmt ganz vorbei." So erklärte sich mir auch die verbissene Reaktion meiner Mutter, die die ganze Zeit gegen eine Diät am Baby argumentierte. Eine Diät, die weder ich noch die Ärztin jemals ins Auge gefasst hatten, die für mich auch nie zur Diskussion gestanden hatte. Mit den speckigen Armen von Emma ging es um den dicken Körper als solchen, der hier zur Diskussion stand.

Ob die ganze Sache genauso ausgesehen hätte, wenn Emma ein Junge wäre? Ich glaube, so stark wie das Stigma des Übergewichts inzwischen in unserer Gesellschaft wirkt, hätte es keinen Unterschied gemacht. Aber auszuschließen ist es nicht... Gab es da nicht auch irgendwelche Promis, die sich schon zu babyzeiten Sorgen machten, dass ihre weiblichen Kinder nicht schlank genug sind? Weiß wer was?

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